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Open Beta: Hatred, Kane und Lynch – Teil 1

· 16 Minuten Lesezeit

In Open Beta öffnen wir M10Z für eure Gastbeiträge. Kurze Gedankenblitze, lange Kolumnen, Spielkritiken, … alles kann, nichts muss.

Dies ist der erste von vier Teilen in denen Thomas Hainscho in die Abgründe digitaler Gewalt eintaucht.

Ein Gastbeitrag von: Thomas Hainscho.

1

Ich fahre Ende November 2023 mit einem leichten Schnupfen nach Wien. Als ich einen Tag später scheußlich niesend und hustend wieder zurückkomme und einen Coronatest mache, bei dem sich beide Streifen unmittelbar nach Kontakt mit der Testlösung rot färben, bin ich verärgert: Ich habe zum ersten Mal COVID und ärgere mich, nicht länger verschont geblieben zu sein. Ich ärgere mich, dass in Österreich keine Schutzmaßnahmen mehr getroffen werden, dass ich mich angesteckt habe, dass ich vielleicht andere Leute im Zug oder der U-Bahn angesteckt habe, dass kein Mensch mehr freiwillig in der Öffentlichkeit einen Mundschutz trägt.

Ich liege 13 Tage im Bett, bin entnervt und frustriert und in diesen Tagen möchte ich Hatred wieder spielen. Hatred ist ein 2015, vor neun Jahren veröffentlichter isometric top-down shooter, in dem man einen Metaltypen steuert, der Amok läuft. Das einzige narrative Ziel des Spiels ist es, möglichst viele Menschen zu töten. Hatred ist in Schwarz-Weiß-Farben gehalten, Farbakzente sind das rote Blut der Opfer und das gelblich leuchtende Feuer. Diese Farbwahl ist ungewöhnlich. Vielleicht war die Entscheidung, das Spiel in schwarz-weiß umzusetzen, eine vorauseilende Antwort auf Zensurmaßnahmen wie bei der Schwarz-Weiß-Szene in Kill Bill oder dem zweiten Teil vom Human Centipede (wobei ich mir bei diesem Film nicht so sicher bin), oder vielleicht war es eine ästhetische Entscheidung, um die düstere Stimmung deutlich zum Ausdruck zu bringen, paint it black usw. Ich bin selbst in düsterer Stimmung. Die Tage in meinem Krankenlager – dem Schlafzimmer – verbringe ich mit klarem Kopf und ohne Fieber, aber mit Husten, Niesen und viel COVID-Rotz in der Nase. Ich bin entnervt, frustriert, immer noch verärgert und traurig. Ich bleibe COVID-positiv und muss einen Termin nach dem anderen absagen; ich verpasse vieles, was ich nicht verpassen wollte; von meiner Freundin werde ich mit Essen und Tee versorgt, aber ich sehe immer mehr Probleme in meiner Beziehung; ich bin unglücklich; ich kann nichts tun, habe zugleich zu viel zu tun und fühle mich überfordert. Diese Aufzählung ist unvollständig. Ich bekomme eine Augenentzündung, sodass ich weder lesen noch auf das Handydisplay schauen kann. Ich liege hustend im Bett und höre Radionachrichten, in denen erzählt wird, dass seit dem letzten Nachrichtenbeitrag wieder Menschen in der Ukraine, in Palästina, in Israel umgebracht worden sind. Mich widern die Kriegstreiber an, mich widern Soldaten an, mich widern die Leute an, die gegen Impfungen und den Mundschutz demonstriert haben. Ich widere mich selbst an und bin hoffnungslos. Ich glaube nicht, dass ich in diesen Tagen etwas anderes gemacht habe, als zu jammern – und ich setze das Jammern hier fort. Es geht mir schlecht. Ich denke an War Pigs von Black Sabbath, death and hatred to mankind, und beschließe, wenn ich wieder gesund bin, Hatred zu spielen.

Ich hatte Hatred bereits vor einigen Jahren gespielt, und es hat mir wenig Spaß gemacht. Es war unübersichtlich und frustrierend. Ich wurde oft erschossen von Figuren, die ich nicht gesehen hatte, weil es zu dunkel war oder mein Blick von einer Wand, einem Gebäude, einem Baum versperrt worden ist oder einfach, weil die Figur zu weit entfernt stand und ich sie gar nicht sehen konnte. Immer noch im Bett höre ich einem Hatred-Review auf YouTube zu, in dem eine Mod für eine Farb-Version vorgestellt wird, die man in der First- und Third-Person-Perspektive spielen kann. War das Spiel wirklich so schlecht, frage ich mich. Die Vorstellung, mich durch hemmungsloses Herumballern abzureagieren, klingt verlockend, death and hatred to mankind. Ich bin erwartungsvoll, installiere die Steam-Workshop-Mod Hatred 1.666 und starte das Spiel. Ich erinnere mich gleich wieder an das Setting. Der Protagonist wird Antagonist genannt und bleibt namenlos, obwohl er sich eröffnend vorstellt: My name is not important.

Von seiner neighborhood aus ballert sich Not Important zuerst zur nächsten Polizeistation, dann durch die Kanalisation zum Hafenbezirk, von dort flüchtet er per Zug und sieht am Fahrplan die Station bei dem Atomkraftwerk. Die (Non-)Story von Hatred erzählt nur von Gewalt. Es gibt, und das ist etwas, das ich dem Spiel zugutehalten möchte, keine Erklärung für den Amoklauf. „I just fucking hate this world and the human worms feasting on its carcass. My whole life is just cold, bitter hatred, and I always wanted to die violently“, sagt der Pro-/Antagonist. Das ist bestenfalls eine psychologische Rechtfertigung, keine Erklärung. Ich weiß nicht, warum ich die Leute im Spiel umbringe. Ich schieße mich durch die Levels, knalle in der Third-Person-Ansicht innocent civilians ab, Polizist:innen, SWAT-Truppen, Soldaten usw. Hatred ist für mich in der Third-Person-Ansicht einfacher. Die Kolorierung ist zurückhaltend, die Farben haben geringe Sättigung, und das passt zum Spiel. Viele Modelle der Gebäude und Figuren, der flache, graue Horizont, die Animationen wirken auf mich halbfertig. Mit der Steam-Workshop-Modification 1.666 scheint Hatred noch mehr das Sandbox-Spiel zu sein, das es sowieso ist. Es wirkt wie der zweite oder dritte Testgang durch eine vorgerenderte Umgebung, den man vom Level-Editor aus starten kann, wahlweise mit aktiver KI.

Aber es gefällt mir, dass die Umgebung zerstört werden kann. Man kann mit einem geklauten Polizeiauto (das ich nur ungeschickt steuern kann, ich weiß nicht, ob das an mir oder am Spiel liegt) in ein Haus rasen und dessen Wände dadurch einstürzen lassen. Wenn man gegen eine Wand schießt, fallen die dort aufgehängten Bilder herunter. Hatred verlangt moralische Scheußlichkeiten: Du kannst und sollst mit geklauten Autos Menschen überfahren, du kannst und sollst mit den gängigen Computerspielwaffen – Pistole, Schrotflinte und Gewehr – Leute abknallen, du kannst und sollst per Tastendruck (Q) Exekutionen durchführen: besonders gewalttätige Animationen mit denen der Pro-/Antagonist jemanden, d angeschossen am Boden liegt, umbringt. Diese Animationen sind keine absurden Splatterfantasien wie die Fatalities in Mortal Kombat, sondern grausame Tötungssequenzen (ich kann allerdings auch nicht alle ganz ernst nehmen, z. B., wenn der Pro-/Antagonist mit dem Fuß auf den Kopf eines Opfers stampft und der Kopf zerplatzt). Im Spiel passiert also genau das, was man sich vorstellt. Der Schockeffekt nützt sich allerdings bald ab und das Gameplay wird monoton. Der Schwierigkeitsgrad ist herausfordernd und hard bedeutet für mich tatsächlich schwer (hauptsächlich wegen des fehlenden Überblicks; ich muss, wenn jemand auf mich schießt, oft suchen, von woher die Schüsse kommen, und ich sterbe einige Male, weil ich zu lange suche und nur herumstehe oder in die falsche Richtung laufe). Das Spiel stürzt einmal ab und im Hotel im Hafenbezirk bleibe ich in einer Wand stecken und kann mich nicht mehr bewegen. Ich weiß nicht, ob das an der Modification oder am Spiel liegt. Die Mod funktioniert, denke ich.

Ob das Spiel als Spiel funktioniert, ist mir nicht klar. So wie damals, als ich Hatred zum ersten Mal gespielt habe, frage ich mich, warum der Pro-/Antagonist wie eine Peter-Steele-Fanart-Zeichnung auf DeviantArt aussieht. Ich trage einen langen schwarzen Ledermantel, geschnürte Stiefel und habe lange schwarze Haare, die mir ins Gesicht hängen. Man sieht nicht zufällig so aus. Wenn man so aussieht, ist das eine bewusste Entscheidung und in gewisser Weise das Bekenntnis zu einer Subkultur. Der Pro-/Antagonist kann doch nicht nur so ein misanthroper Soziopath sein, er hat offenbar ästhetische Neigungen. Hat er sich die Haare vielleicht schwarz gefärbt? War er dafür beim Friseur oder hat er sie sich selbst gefärbt?

Hatred wurde von Skandalen begleitet, ein Amoklauf-Simulator usw., das war vermutlich die beste Werbung für das Spiel. Der Creative Director des Entwicklerstudios Destructive Creations, Jarosław Zieliński, sagt in einem Interview, dass Hatred im Gegensatz zu anderen Ballerspielen ehrlicher sei: „Our game doesn’t pretend to be anything else than what it is and we don’t add to it any fake philosophy.“ Für Destructive Creations sprechend sagt Zieliński, mit Hatred sei das Studio „honest in our approach.“ Was heißt das? In Call of Duty zum Beispiel macht man nichts anderes als in Hatred: man tötet; Call of Duty spielen heißt töten. Man bewegt die Maus und drückt die Tasten so, dass am Ende alle enemies tot sind. Das ist im Wesentlichen das Gameplay von jedem Teil der Call of Duty-Reihe. Zu sagen, es gehe darum, den „ultranationalist war criminal Vladimir Makarov“ aufzuhalten (wie es auf der Campaign-Seite auf der Website von Modern Warfare III heißt), sei fake philosophy, würde Zieliński sagen. Es gehe bloß ums Töten. Wenn man im Hochhaus reihenweise enemies abknallt, weil man in das oberste Stockwerk gelangen möchte, dann ist das Töten Mittel, um etwas damit zu erreichen (das oberste Stockwerk), ein Mittel zum Zweck. In Hatred aber sei das Töten laut Zieliński kein Mittel zum Zweck, sondern Selbstzweck und Hatred verschleiere das, im Gegensatz zu z. B. Modern Warfare III, nicht hinter einer fadenscheinigen Geschichte (die den Leuten, die Call of Duty spielen, sowieso egal ist).

Es gibt eine ungenannte Voraussetzung für diese Behauptung: dass etwas, das dem Selbstzweck dient, besser – oder ehrlicher, wie Zielińskis sagt – sei, als etwas, das lediglich das Mittel für einen Zweck außerhalb seiner selbst darstellt. Darüber kann man sich seit und mit Aristoteles streiten. Ich denke, in so gut wie allen Spielen befolgt man Regeln, die das Spiel vorgibt und damit wird immer ein bestimmter Zweck innerhalb des Spiels verfolgt. Etwas zu spielen bedeutet, die Regeln des Spiels zu befolgen und diese Regeln führen irgendwo hin. Oft wird innerhalb eines Spiels mit den vorgegebenen Regeln etwas moralisch Schlechtes simuliert, zum Beispiel ein Amoklauf, aber die Person vor dem Bildschirm (das heißt: außerhalb des Spiels) bricht damit keine Regeln, auch keine moralischen, sondern folgt ihnen. Ich denke, dass jedes Spiel somit Mittel zum Zweck ist, weil jede Handlung innerhalb der Simulation als regelorientiert zu verstehen ist und irgendwohin führt. Auch in Hatred ist das so: Ich muss so-und-soviele Menschen umbringen (mit Alt kann man den Fortschritt kontrollieren), um ins nächste Level zu gelangen. Das ist doch auch fake philosophy, denke ich, sogar die simpelste, wie Pokémons einsammeln oder Tetrissteine abzählen, um die nächsthöhere Zahl zu erreichen. Ich denke daran, wie oft die Mission No Russian in Call of Duty: Modern Warfare 2 als Beispiel für den Wechsel der Moral innerhalb des Spiels (das rule-following) und außerhalb des Spiels (meine eigenen moralischen Werte) verwendet worden ist: Du betrittst als Undercover-Agent in einer Terroristengruppe (mit dem war criminal Vladimir Makarov) einen Flughafen, auf den die Terroristen einen Anschlag ausüben: Sie erschießen alle Menschen vor Ort. Tötest du auch innocent civilians? Die Regeln des Spiels lassen beide Optionen zu, die Entscheidung liegt bei d Spieler:in. Das ist doch etwas anderes, vielleicht eine ehrlichere Auseinandersetzung mit Gewalt, als in Hatred, oder?

Wen tötet man in Hatred? Von der Third-Person-Perspektive aus kann man besser erkennen, auf wen man überhaupt schießt: Es sind Männer und Frauen, viele tragen dicke Jacken und sind winterlich angezogen (warum auch immer), ihre Körper sehen mehr oder weniger gleich aus. Ich bin mir sicher, dass ich in einem Level dieselbe Person mehrmals erschieße, weil es wohl nur eine einstellige Zahl an character models gibt. Es gibt auch moralische Schranken: Es laufen keine Kinder und keine Tiere herum, die mir zum Opfer fallen könnten. Vielleicht ist das aber nur eine technische Schranke, weil die Developers Tiere und Kinder nicht animieren konnten oder das zu teuer gewesen wäre. Mir fällt auf, dass viele Opfer schwarz sind oder asiatische Züge tragen. Das ist eigenartig, denke ich mir, und auch irgendwie unpassend. Ich erinnere mich an die ersten Level von Resident Evil 5, in denen ich als Chris Redfield, ein white american mit Oberarmen so dick wie Oberschenkel, reihenweise mutierte Afrikaner:innen abgeknallt habe, was auch irgendwie unpassend war. Aber Resident Evil 5 spielt in Kijuju in West Africa und die Fremdheit des BSAA-Agent Redfield in Kijuju, West Africa gehört zur Erzählung dazu (und der Spaziergang durch die Stadt mit der aufgeheizten Unruhe, die man nicht richtig deuten kann, ist mir auch nach Jahren noch sehr eindringlich in Erinnerung). Hatred spielt in der Umgebung von New York, da knallt ein weißer Amokläufer reihenweise immigrants ab, das ist etwas anderes. Vielleicht soll die ethnische Codierung zur Authentizität des Spiels beitragen und New York als Melting Pot darstellen? Ich verstehe es nicht.

Dann komme ich von der Train Station in das Downtown-Level. Der Pro-/Antagonist tritt mit einem Flammenwerfer hinter einer Ziegelmauer hervor und steht am Rand einer Wahlveranstaltung: „I fucking hate politics“, sage ich mit Blick auf die Bühne, auf der ein Mann steht, der vor Publikum spricht, „but more than that … I hate politicians“. Ich erinnere mich an diese Stelle, das Downtown-Level hatte ich nicht mehr beendet, als ich Hatred zum ersten Mal gespielt habe. In der Third-Person-Ansicht sehe ich die Bühne besser als von der isometrischen Perspektive aus: „A new vision for Downtown“ steht auf einem über der Bühne gespannten Banner und daneben sind zwei große Plakate mit dem Text VOTE SERNIE BANDERS aufgehängt. Das kommt mir ganz eigenartig vor. Sernie Banders? Dann fällt mir auf, dass der Platz mit Pride-Fahnen (der Progress Pride Flag) gesäumt ist. Soll man mit Hatred Mordfantasien an Bernie Sanders und der Queer-Community ausleben? Wenn ich an die auffällig vielen nicht-weißen Opfer denke, oh dear. Das ist eine eindeutige und einschlägige Ausrichtung. Kann das sein? Ich beende das Level, deaktiviere die Modification und starte das Spiel neu. Ich wähle das Downtown-Level aus und ohne die Mod es geht nicht mehr darum, einen Respawn-Point zu verdienen, indem man „Sernie Banders“ abfackelt, sondern „Jose A. Morales“; im Original sind keine Pride-Fahnen gehisst. (Mein Misstrauen bleibt. Jose A. Morales – ist das ein sprechender Name? Wer ist das? José Alonso Morales, ?–2012, spanischer Philosoph und Theologe, José Alejandro Morales López, kolumbianischer Komponist, 1913–1978, gracias Wikipedia, enciclopedia libre.)

Vor einigen Wochen hatte ich mehrere Postings gelesen, in denen unironisch keep your politics out of my game stand. Der Anlass dazu war, dass sich irgendwelche Rechten aufgeregt haben, dass man in Alan Wake II nicht John Wick mit Patches-Herrensakko steuert, sondern eine schwarze Frau, die auch nicht besonders fuckable inszeniert wird; Alan Woke II haben sie geschrieben, und keep your politics out of maaay gaaaaaaameeeeees. Es ist absurd, wie die Rechten einerseits fordern, dass Spiele politisch neutral sein sollen und dann alles, was nicht reibungslos mit den Idealen eines Spektrums von konservativ bis rechtsextrem harmoniert, als Machwerk der Woke-Agenda verstehen und „keep your politics out of my games“ usw. schreiben. Die Modification Hatred 1.666 von Steam-User Vergil und Steam-User Igoreso basiert auf der Modification Hatred 1.333 - a FPS / TPS mod von Steam-User Igoreso. Igoreso weist in einer public notice auf seiner Steam-Profilseite hin, dass von ihm keine altered narrative in der Mod Hatred 1.666 stamme, die 1.666-Modification sei eine „reinterpretation of the vanilla game by modder Vergil“, er habe bloß die Daten seiner 1.333-Modification bereitgestellt; Igoreso: kein Täter, nicht überzeugter Anhänger irgendeiner Ideologie, sondern bestenfalls Mitläufer, ein Zahnrad, das schweigend tut, was von ihm verlangt wird, unschuldig.

Niemand ist unschuldig, denke ich.

Ohne Überraschung lese ich im Disclaimer für Hatred 1.666:

The mods do NOT promote any (political or non-political) ideology or encourage violence acts or spread any sort of prejudice against any race, ethnicity or belief system. […] Places, events and characters presented in the mods are fictional and do NOT represent any real world counterparts; any similarity or resemblance is coincidental.

Das ist offensichtlich gelogen. Die Modder verneinen am Ende des Disclaimers Eichmann-like die Verantwortung für ihre Mod:

We take ZERO responsibility for the mods. This is just a game. You are responsible for your own actions, both in the mods and in real life.

Du kannst sagen, dass ich das zu ernst nehme: Vergil und Igoreso trollen eben, das sind edgelords, vielleicht 15 Jahre alt, lass sie, just a game. Ich sage, Vergil hat auch die Hatred-Mod "Führy" auf Steam hochgeladen, in dem man sich als Hitler mit Flammenwerfer durch die Hatred-Levels killen kann („This mod isn't meant to promote nazism or any sort of prejudice against any race or color“), und Hatred-Chan: A Visual Novel Adventure:

In "Hatred Chan", you will lose all your dignity to play as "Majiin J. Portant", a 48 years old unemployed weaboo who lives in his mom's basement, his otaku mind is beyond salvation, he sees everything in the world as "kawai~desu" and "lewdness", except "NINGENS", but you are finally going to show all those western normies who's the real "SENPAI"!

Was soll ich diesen Trotteln vorwerfen? Das N-Wort? Dass sie dumm sind und bestenfalls selbst nicht checken, was sie tun? Ich bin mir sicher, dass sie das ganz genau wissen. Lies die 288 Kommentare im Steam-Workshop für die Hitler-Mod durch, wenn du Zweifel hast. Mich widert das an. Ich stelle mir edgelord Vergil als Wahnsinnigen vor, der vor dem Bildschirm white power schreit während er sabbernd KI-gesteuerte Polygonimmigrants abknallt, zu Moo-Moo Chan masturbiert und sich geil vorkommt, 855 Stunden Hatred gespielt zu haben.

Aber ich meine die Fragen nach dem Vorwurf ernst: Was kann ich den Moddern, was der Modification vorwerfen? Ist meine Empörung nicht selbst verlogen? Ich will keine Faschismusfantasien, ich schreibe keep your politics out of maaay gaaaaaaameeeeee, ich will das nicht. Ich möchte die neutrale Version, in der ich keine immigrants umbringe, sondern normale Menschen. Oh dear: so etwas geht auch nicht. Ich stecke in einem Dilemma. Die Vanilla-Version von Hatred bietet keine moralische Baseline. Zieliński hat schon recht, wenn er sagt, dass man in Hatred keine enemies tötet, sondern innocent civilians. Es gibt – außer der für das nächste Level zu erreichenden Zahl an Opfern – keinen Grund, innocent civilians zu töten, das sind einfach Leute, die im Just & Kate-Supermarkt einkaufen, auf Partys tanzen oder in der Downtown herumschlendern, stereotype Nebenmenschen. Diese Nichtidentität ist ihre Identität – und damit lockt das Spiel wohl die Irren an, die diese Leerstelle mit ihrer eigenen Ideologie ansudeln und anfüllen wollen. Du ertappst dich dabei, wie du denkst, alles ist Interpretation, es gibt keine neutrale Meinung, kein neutrales Spiel, alles ist politisch, darling, wehret den Anfängen. Auf der Bühne stehen Trump, Weidel, alle Le Pens, Karner, Raisi, Orbán, Meloni, Putin, das ganze Pack, und ich fackle sie ab und vor der Bühne deren Fans auch, die Kriegstreiber, die Soldaten, die Leute, die gegen den Mundschutz und die COVID-Impfung demonstriert haben, dazwischen Vergil und Igoreso. In diesem Fall, denke ich, habe nicht ich Hatred gespielt, sondern das Spiel hat mich gespielt. Ich sitze sabbernd vor dem Bildschirm, komme mir geil vor, aufzulisten, wer da vor und auf der Bühne steht, und masturbiere dazu.

Zum nächsten Teil.